"Was unterscheidet Magis von anderen Designunternehmen?" Wollte Barbara Benz wissen und reiste ins norditalische Torredi Mosto.
Die Design Schmiede
„Magis ist keine Fabrik, es ist ein Kloster“, sagt Giulio Iacchetti im „Happy anniversary!“-Katalog, der 2016 zum 40-jährigen Jubiläum von Magis erschienen ist: „An diesem Ort werden Design und Form verehrt, ja angebetet.“ Wie wahr: Die vier asketischen Flügel des modernen Firmengebäudes umschließen einen zentralen Kreuzgang, durch den schon viele renommierte Designer unserer Zeit wandelten: Ron Arad, Philippe Starck und Marc Newson, Jaime Hayón, Enzo Mari und natürlich Erwan und Ronan Bouroullec. Sie alle waren auf dem Weg zu Eugenio Perazza, dem Gründer und kreativen Kopf des kleinen, erfolgreichen Familienunternehmens um ihm ihre neuesten Ideen vorzustellen.
Wer beim Abt des Designs reüssiert, darf sich anschließend auf der großen Signaturwand verewigen, neben Konstantin Grcics „Radio Magis Station“, neben Naoto Fukasawas „Cu-Clock“ oder neben Jerszy Seymours farbspeiendem Designvulkan. Doch was unterscheidet Magis von anderen Designproduzenten? Perazza versteht sich als Herausgeber. Das heißt, die größtenteils intern entwickelten Ideen werden gemeinsam mit Manufakturen aus der Umgebung realisiert. Eigene Produktionsstätten besitzt die Firma nicht. So ist sie weder an Form noch an Materialien gebunden.
Jedes neue Projekt ist eine Herausforderung, besonders für die vielen internationalen Kreativen, mit denen Magis kooperiert. Stardesigner wie Erwan und Ronan Bouroullec schätzen den regen Austausch mit Eugenio Perazza, seinem Sohn Alberto, der in den 1990-er Jahren als Co-Managing Director ins Unternehmen kam, und dessen Frau Barbara Minetto, die das Marketing leitet. Mit den beiden genialen Brüdern entstand zuletzt „Officina“, eine Serie von Tischen, Stühlen, Garderoben und Leuchtern. „Unsere Idee war, die barocke, sehr ornamentale Schmiedekunst in eine moderne Formensprache zu übersetzen“, erklärt Alberto Perazza.
Die Bouroullecs waren sogleich Feuer und Flamme für die Idee und entwarfen eine Serie von grazilen Eisenmöbeln, die nun in einer traditionellen Kunstschmiede- Werkstatt nördlich von Venedig von Hand gearbeitet werden. Qualität und Innovation gehören zur DNA von Magis. Dass die von ihnen realisierten Produkte oft erst einmal irritieren, stört weder Vater noch Sohn. "Es geht nicht darum, allen zu gefallen, sondern etwas Anderes, Neuartiges zu entwickeln", sagt Alberto Perazza. Wie der Kreiselstuhl „Spun“ von Thomas Heatherwick oder auch der „Chair_ One“ von Konstantin Grcic. Als der spektakuläre Aluminiumstuhl 2003 lanciert wurde, ging ein Raunen durch den Markt. Inzwischen ist er ein Bestseller und eine Ikone des Designs. Der gute Kontakt zu Grcic ist bis heute geblieben, wie der Designer berichtet: „Eugenio Perazza ruft mich beinahe täglich an. Nicht unbedingt, um dringende Belange zu diskutieren, sondern einfach, um in Verbindung zu bleiben. Er denkt an mich – und so denke ich an Magis.“
Mit Grcics „Chair_One“ begann eine neue Ära für das Unternehmen, weg vom Plastik-Image hin zur Virtuosität des italienischen Handwerks.
Magis gestaltet Dinge, die sehr italienisch sind
sagt Eugenio Perazza. „Wir wollen die Tradition und auch das Handwerk der Region in die Gegenwart und Zukunft führen.“ Jedes Stück der Kollektion ist deshalb 100 % Made in Italy. Darauf sind die Perazzas besonders stolz, denn zur Reinheit der Form bekommt damit jedes Objekt eine „Ästhetik der Bedeutung“.
Das Design von morgen schöpft seinen Erfolg aus Qualität, da ist sich Alberto Perazza sicher. Qualität ist für ihn die Zukunft. Und die hat bei Magis längst begonnen. Im Jubiläumskatalog zum 40. Geburtstag hinterließen Erwan und Ronan Bouroullec ein wunderbares Kompliment: „Eugenio Perazza ist Fellini. Magis ist Cinecittà. Wir, die Designer sind die Akteure in dieser außergewöhnlichen Folly, die den wohl interessantesten Film der italienischen Designbranche kreiert.“