Geboren in Paris, aufgewachsen an der Westküste Afrikas, dann pendelte Jeremy Maxwell Wintrebert als Erwachsener zwischen den USA und Frankreich. Geprägt von der Vielfalt unterschiedlicher Kulturen hat sich der junge Künstler zu einem der spannendsten Glasvirtuosen unserer Zeit entwickelt. Durch Zufall erlebte er mit 19 Jahren zum ersten Mal die Verarbeitung von flüssigem Glas. Fasziniert von der Anmut und Komplexität dieses Materials, das er als ‚leuchtend, tanzend, gefährlich, zart, rätselhaft, schnell, hypnotisierend und sinnlich‘ beschreibt, gab es für Wintrebert seither nur ein einziges Ziel: ein Meister der Glaskunst zu werden.
State of the Art
In Paris geboren, aufgewachsen in Afrika, dann haben Sie die meiste Zeit in den USA verbracht.
Wie fließen diese unterschiedlichen Erfahrungen in Ihre Arbeit ein?
Afrikanische Kunst ist natürlich und archaisch. Sie erzählt Geschichten und basiert auf spirituellen Ritualen. Sie lebt vom Kontrast aus Reinheit und Rauheit. Das beeinflusst auch meine Arbeiten. Europäische Kunst hat mich nie angezogen, obwohl ich hier genetisch verwurzelt bin. Es gibt eine Reihe von Künstlern, die mich bewegt haben, wie Bacon oder Boltanski, aber sie inspirieren mich nicht. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich dieser Bewegung anschließen muss. Mein Interesse galt immer dem Design. Seine ganze Energie in funktionale Dinge zu stecken, die wir täglich benutzen, kann den Sinn eines Objektes total verändern. Ich achte sehr darauf, welche Spannung Proportionen, Farben oder Texturen erzeugen, und mag es nicht, wenn Dinge zu offensichtlich und gelabelt sind.
Warum sollte ein Coffeetable nicht gleichzeitig ein ‚piece of art‘ sein?
Ich mag es, wenn mich Leute fragen: „Ist das eine Vase?“ Dann weiß ich, dass ich die Konventionen überwunden habe.
Wie startete Ihre Karriere?
Ich reiste von Glashütte zu Glashütte, überall dorthin, wo ich Erfahrungen sammeln konnte, die es mir eines Tages ermöglichten, mich selbst auszudrücken.
Ich entdeckte, dass das Handwerk meine größte künstlerische Inspiration ist. Den Durchbruch in der Glaswelt hatte ich bis heute nicht, aber mein Interesse liegt auch ganz woanders. Ich möchte mundgeblasenes Glas dorthin bringen, wo es bislang nicht war – in die Designwelt. Dazu muss ich ständig meine Techniken verfeinern, was eine echte Lebensaufgabe ist. Ich habe das Gefühl, erst an der Oberfläche meiner Möglichkeiten gekratzt zu haben. Ich kann also nicht behaupten, ein Meister zu sein.
Was reizt Sie besonders an der Arbeit mit Glas?
Wenn ich in den Ofen schaue, sehe ich eine andere Welt, voller Träume und Möglichkeiten. Beschreiben Sie Jeremy Wintrebert mit fünf Worten. Verständnisvoll, starrköpfig, offen, glühend, albern. Ich brüte gerade darüber ... wie man am besten aus den Glasbläserkonventionen ausbrechen kann, um diesen wunderbaren Werkstoff an unerwartete Orte voller Magie und Wunder zu bringen.
An was arbeiten Sie gerade?
Ich arbeite an neuen Stücken für eine Messe. Außerdem sind wir in der Endphase für ein Dokumentarfilm den Jerome de Gerlache gemacht hat. Er hat unsere Arbeit über Monate verfolgt und wir sind gespannt, wie die finale Version geworden ist. Außerdem setzen mein Team und ich alles daran, einen eigenen Workshop in Frankreich zu eröffnen. Samstags treffen Sie mich wahrscheinlich... beim Grillen in meinem Garten.
Photos: © Jeremy Josselin