Barbara Benz im Gespräch mit Dr. Stefan Rief. „Besprechungsräume müssen als Produktivflächen verstanden werden“, sagt Dr. Stefan Rief, Leiter des Competence Center Workspace Innovation beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, kurz IAO, in Stuttgart.
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Was sollte ein gut gestalteter Besprechungsraum haben?
Wenn immer möglich, sollte er Tageslichtbezug haben – und ausreichend Platz. Wenn ich Platz habe, kann ich einen Raum schaffen, der verschiedene Situationen anbietet: einen Tisch, um den man sich setzen kann, daneben ein Sofa, irgendwo anders eine Stehmöglichkeit mit einer Visualisierungsmöglichkeit. Es gibt eine Studie, die zeigt, wie wichtig der Anteil der Holzoberfläche ist, ganz unabhängig vom Geschmack. 50 % werden als angenehm empfunden, 80 oder 90 % wirken sogar entspannend. Eine andere belegt, dass dramatische Ausblicke wie beispielsweise auf einen Eisberg, auf das Meer und tatsächlich auch Bilder eine positive Wirkung haben. Deswegen würde ich sagen, ein guter Besprechungsraum braucht auch große Flächen zum Visualisieren.
Welche Rolle spielt die Einrichtung?
Wenn man sich die Besprechungsräume in den Unternehmen ansieht, fällt auf, wie stark versucht wird, alle einheitlich zu machen. Es gibt zwar einen kleinen, einen mittleren, einen großen und einen speziellen Besprechungsraum, aber alle sehen gleich aus. Die Einrichtung wiederholt sich und ist sehr von Effizienz getrieben: Wenn ich 50 gleiche Tische kaufe, habe ich vielleicht noch einen Einkaufseffekt dabei. Im Besprechungsraum geht es jedoch darum, Menschen in unterschiedlichen Konstellationen zusammenzubringen. Ich glaube, eine Vielfalt, wie man sie in manchen Projekten sieht, ist entscheidend.
Welche Rolle spielt das Licht?
Licht ist essenziell. Aber auch das hat etwas mit der Aufgabe zu tun: Bei wärmerem Licht bin ich kreativer, kälteres Licht hingegen fördert die Konzentration, wobei Lernen durch Lesen bei wärmerem Licht besser funktioniert. Die Menschen im Raum sind flexibel, die Infrastruktur leider nicht.
Es ist also wichtig, Räume zu schaffen, die eine Botschaft aussenden.
Das kann man sehr gut mit Licht.
Wie wichtig sind technische Faktoren?
Ich halte die Videokonferenz für ein ganz wichtiges Mittel. Dabei geht es um Beleuchtung, um Ausleuchtung, aber auch um Perspektive: Schaue ich die Gegenseite von unten nach oben oder von oben nach unten an. Es gibt eine ganz alte Studie in der eine Verhandlung über Videokonferenz nachgestellt wurde. Sie ergab: Wenn ich leicht von oben herab verhandle, liegen die Durchsetzungschancen um 85 % höher. Man kennt es vom Film, der ja sehr stark auf Perspektiven achtet.
Gibt es eine Idealgröße für eine Besprechung?
Je nach Aufgabe brauche ich die richtigen Teilnehmer, aber auch nicht zu viele. Wenn es z.B. um die Entwicklung von Wissen oder um eine Expertise geht, steigt mit jeder weiteren Person die Zeit, die verbraucht wird. Wenn jeder spricht, wächst das Wissenspotenzial nur noch ein kleines bisschen, während der Aufwand, sich auszutauschen, steigt. Es hilft also, wenn man sich fragt, wer bringt zusätzliches Knowhow oder Entscheidungskompetenz ein. Ich glaube, dass wir häufig zu viele Personen involvieren, wenn wir nicht den Mut haben, Dinge selbst oder in einem kleinen Kreis zu entscheiden und das auch durchzusetzen.
Blicken Sie bei Ihrer Arbeit viel in Richtung USA?
Spannend sind die Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley. Diese Beispiele zeigen, wie viel Wert auf Raum gelegt wird. In der Regel sind es aber ein, maximal zwei Generationen, die dort arbeiten. Es sind also eher Campus- Kulturen, bei denen es darum geht, viel Zeit miteinander zu verbringen. Dementsprechend liebevoll oder durchdacht gestaltet sind die Räume. Wenn es eine Kreativecke gibt, wird ihr Platz eingeräumt und sie entsprechend ausgestattet. Es wird nicht versucht, ein rotes Sofa zwischen vier Tische zu schieben mit der Aussage, dort könnt ihr jetzt kreativ sein. Man sieht dort sehr schön die Konsequenz in der Umsetzung.
Was genau bedeutet Effizienz bei einer Besprechung?
Sinnvoll mit der Ressource Mensch umzugehen. Man muss sich klarmachen: Wenn ich für die Firma etwas im Wert von 30 Euro bestellen möchte, läuft ganz selbstverständlich ein Genehmigungsprozess. Aber jeder ist berechtigt, ein Meeting einzuberufen. Mit drei, vier, fünf, sechs Teilnehmern, um eine, zwei oder drei Stunden die Gehälter zu verbrennen. Das steht in keinem Verhältnis, wenn man bedenkt, dass man sich auf der anderen Seite schon kleinste Eurobeträge genehmigen lassen muss. Besprechungen sind eingebettet in eine Kommunikationskultur, die man gut mit Raum beeinflussen kann. Ich weiß von einer Firma, in der man ganz bewusst die informelle und spontane Begegnung ausgebaut hat und fördert. Das hat zu einer Einsparung von ungefähr einem Drittel der geplanten Meetings geführt.
Wo liegen die Mankos von Besprechungssituationen deutscher Unternehmen?
Ich persönlich glaube, es scheitert tatsächlich häufig an den Räumen. Sie sind häufig dröge, zu dicht möbliert, bieten zu wenig Zugriff auf Medien, auf Werkzeug und vor allem auf Visualisierungsmittel. In einem Besprechungsraum mit fünfzehn Quadratmetern sitzen manchmal zehn Leute. Eine Fläche, die sich sonst zwei Kollegen als Arbeitsplatz teilen. Oft ist auch die Beleuchtung und die Luft sehr schlecht.
Eine Studie belegt, dass der Raum und die räumliche Situation einen ähnlich hohen Erfolgsbeitrag zu einem Meeting hat wie die Moderation.
„Sie verlangen deshalb ein entsprechendes Augenmerk bei der Konzeption und Gestaltung.“ Gemeinsam mit seinem zwölfköpfigen Team erforscht der Architekt und Arbeitswissenschaftler die Veränderung von Arbeit. Eine wichtige Komponente ist hierbei das Zusammenspiel zwischen Aufgabe und räumlicher bzw. technischer Infrastruktur. Welche Wirkung diese auf unsere Motivation und Leistungsfähigkeit haben, erzählte er im Gespräch mit Barbara Benz.
Weshalb muss man Besprechungen auf ihre Effizienz hin prüfen?
Weil wir unglaublich viel Zeit in Besprechungen verbringen. Zwischen 10 und 90 %, je nach Aufgabe und Hierarchie- Ebene. Je größer das Unternehmen und je höher die Hierarchie, desto mehr Zeit verbringt man in Meetings. Einige Mitarbeiter sogar viel mehr als an ihrem Arbeitsplatz – Tendenz steigend. Wenn mehr als zwei Hierarchie-Ebenen involviert sind, so haben Untersuchungen ergeben, geht die Selbstdarstellung los und ich verliere damit Zeit. Manche Unternehmen haben deshalb Besprechungskaskaden, was durchaus Sinn macht.
Wie lässt sich die Effizienz messen?
Das ist nicht ganz einfach, denn Besprechung ist ja nicht gleich Besprechung. Es gibt schnelle Abstimmungen, Kreativ-Meetings, soziale Themen, Konfliktlösungen oder Entscheidungsfindungen. Was effizient ist oder nicht, muss man am Ergebnis und an der Aufgabe festmachen.
Das heißt, Sie analysieren auch die Besprechungsqualität?
Ja. An Basisfaktoren wie der Zufriedenheit der Teilnehmer mit dem Erreichten. Dann betrachten wir im Verhältnis die Dauer des Meetings und die Motivation danach. Wenn ich zum Beispiel sehr viel visualisiere und es vielleicht sogar schaffe, direkt ein visuelles Protokoll für alle Teilnehmer zu machen, dann ist die anschließende Effizienz viel größer, als wenn ich drei, vier, fünf Tage auf ein Protokoll warte.
Gibt es weitere gute Beispiele aus anderen Ländern?
Die skandinavischen Länder und auch die Niederlande probieren mit einer gewissen Lässigkeit vor allem das flexible Arbeiten an unterschiedlichen Stellen aus. In der Schweiz hat das alles einen Tick später angefangen, aber dann mit einer großen Konsequenz und in Gestaltung und Qualität.
Und wie ist es bei uns?
Bei uns ist das oft halbherzig: ein bisschen Vielfalt, ein bisschen Farbe, ein bisschen Kreativität. Mein Eindruck ist, dass es manchmal etwas mutiger, experimenteller und freier sein darf. Man sollte sich viel mehr trauen, etwas auszuprobieren. Schließlich geht es nicht nur ums Wohlfühlen von Menschen, sondern darum, Leistung und Kreativität zu generieren.
Gibt es für Sie ein Unternehmen, das dies sehr gut gelöst hat?
Mir fällt spontan das BMW-Werk in Leipzig ein – es ist sehr konsequent auf Begegnung ausgelegt. Super konsequent ist auch Adidas: eine starke Community mit einem starken Campus, an dem man Zeit verbringen will, mit Personalentwicklungsinstrumenten und Flexibilität. Wenn ich die besten Textilingenieure oder Designer will, dann muss ich ihnen ein Erlebnis bieten, und Herzogenaurach ist nur bedingt attraktiv für einen Dreißigjährigen oder eine 25-jährige Top-Kraft. Wir haben in Deutschland tatsächlich einige sehr gute Beispiele, da muss man gar nicht ins Valley fliegen.
Photo: ©
Vitra
Nimbus Group /
Brigida González
Eduardo Perez