Im Interview mit architare erzählt der Urenkel von Hugo Boss, warum er nie bereut hat, dass er sein Jurastudium an den Nagel gehängt hat, was seine größten beruflichen Erfolge sind und davon, was den besonderen Qualitätsanspruch von ClassiCon ausmacht.
Wohin geht die Reise in der Designwelt, Herr Holy?
Herr Holy, Sie haben eigentlich Jura studiert.
Wie passt das mit Ihrer Liebe zum Design zusammen?
Ich habe mich immer schon für Design interessiert und es war mein erklärtes Ziel, in diesem Umfeld zu arbeiten. Architektur, Kunst und Möbeldesign haben mich zu Hause mein Leben lang begleitet. Allerdings war mir klar, dass ich nicht selber der Gestalter und Entwerfer bin, sondern lieber Design zu seiner Wahrnehmung und einem wirt- schaftlichen Erfolg bringen, also unternehmerisch arbeiten wollte. So ergaben sich für die Studienwahl die klassischen Fächer BWL oder Jura als Voraussetzung. Ich bin bei Jura gelandet. Detailgenauigkeit, Beobachtungsgabe und Urteilskraft gehören dann wohl auch in beide Bereiche: Jura und Design.
1998 hat Ihr Vater ClassiCon gekauft. Sie haben Ihr Studium abgebrochen und sind bei ClassiCon eingestiegen. Haben Sie das jemals bereut?
Nein, niemals.
Wann wurden Sie Geschäftsführer von ClassiCon? Sofort?
Nein. 1999 habe ich meinen Weg bei ClassiCon begonnen und unter dem damaligen Geschäftsführer die verschiedenen Bereiche des Unternehmens durchlaufen. Erst 2002 habe ich die Geschäftsführung vollständig übernommen.
ARCHITEKTUR, KUNST UND MÖBELDESIGN HABEN MICH ZU HAUSE MEIN LEBEN LANG BEGLEITET.
Was waren bisher Ihre größten beruflichen Erfolge?
Für meine Zeit bei ClassiCon war sicherlich einer der größten Erfolge die Veränderung unseres Erscheinungsbilds mit dem Katalogkonzept einer neuen CI im Jahr 2006, die eine Neuausrichtung der Firma bewirkt hat. Bei den Produkten ist es der Bell Table von Sebastian Herkner. Aber auch die Zusammenarbeit von Anfang an mit Konstantin Grcic und Barber Osgerby sowie vielen anderen Designern hat mir geholfen. Ganz zu schweigen von Zeev Aram und dem Umgang mit den Entwürfen von Eileen Gray, durch den mir die Liebe zum Detail und auch vieles über Langfristigkeit beigebracht wurde. Ohne diese Einflüsse hätte ich es wahrscheinlich nicht dahin geschafft, wo ich heute bin.
Welche Möbel zählen zu den Bestsellern von ClassiCon?
Der Adjustable Table E1027 und die Tube lLght von Eileen Gray, der Bell Table von Sebastian Herkner, der Euvira Rocking Chair von Jader Almeida aus Brasilien und ich glaube auch der Bow Coffee Table von Guilherme Torres, mit dem sich eine Sofa- und Couchtischlandschaft gestalten lässt.
Ihre Familie stammt aus dem Schwäbischen. Wie kamen Sie nach München?
Mein Vater ist Schwabe, meine Mutter ist Münchenerin, und so sind wir nach Jahren, in denen mein Vater geschäftlich in Schwaben gebunden war, später an den Tegernsee gezogen und dann alle im wunderbaren Bayern hängen geblieben.
Wo finden Sie Ihre Inspirationen?
Oh, häufig auf langen Autofahrten, gerne auch nachts, in totaler Stille, noch nicht einmal mit Musik im Hintergrund. Auch in der Kunst, in der Architektur und – ganz wichtig – beim Reisen.
Welche Städte inspirieren Sie?
Das wechselt und es kann auch eine für mich neue und eher unbekannte Stadt sein. Die Welt entwickelt sich weiter, und so entstehen immer wieder neue interessante Zentren. Was für mich vor 20 Jahren noch New York war, ist heute zum Beispiel Upstate New York geworden. Hier sind viele kleine Manufakturen entstanden. Jetzt interessieren mich Städte wie Berlin oder auch London, das sich in den letzten Jahren enorm entwickelt hat. Und Richtung Osten habe ich das Gefühl, dass auch viele interessante Strömungen entstehen. Nur nicht unbedingt immer in China.
WIR PRODUZIEREN DEN GROSSTEIL UNSERER KOLLEKTION IN KLEINEN MANUFAKTUREN UND BETRIEBEN IN BAYERN IN EINEM UMKREIS VON 300 KILOMETERN UM MÜNCHEN.
Wo lassen Sie produzieren und finden Betriebe, die dem Qualitätsanspruch von ClassiCon gerecht werden?
Wir produzieren den Großteil unserer Kollektion in kleinen Manufakturen und Betrieben in Bayern in einem Umkreis von 300 Kilometern um München. Wobei wir in Norditalien verchromen lassen, bei einer Firma, die seit Jahrzehnten von einem Schwaben geführt wird. Da kann man sich auf die Qualität verlassen. Eben schwäbisch.
Was sind die nächsten Trends? Wohin geht die Reise in der Designwelt?
Ein deutlich spürbarer Trend ist sicherlich, dass die Kunden sich mit den Themen der Nachhaltigkeit auseinandersetzen und dementsprechend ihre Kaufentscheidungen fällen. Sie hinterfragen Herstellungstechniken sowie Produktionsstandorte und die dortigen Arbeitsverhältnisse. Hinzu kommen große Sympathien für das Individuelle oder das lokal gefertigte Handwerk. Es gibt eine Bereitschaft, sich eher etwas Besonderes zu leisten und sich von den Mechanismen der Wegwerfgesellschaft zu entfernen.
Und zum Schluss noch unsere Frage nach Ihren Lieblingsorten in Stuttgart sowie in München und am Tegernsee?
In München liebe ich das Schumanns, vor allem im Sommer, wenn man draußen im Hofgarten sitzen kann. Am Tegernsee geht nichts über das Bräustüberl – und natürlich die Waldfeste. Und in Baden-Württemberg ist das Restaurant und Hotel Traube in Neuffen, das eine halbe Stunde von Stuttgart entfernt ist, einer meiner Lieblingsplätze.
Herr Holy, vielen Dank für das Gespräch.