Identity Architects

 

Im letzten Jahr wurden Peter Ippolito und Gunter Fleitz als die ersten deutschen Gestalter aus dem Bereich der Innenarchitektur in die Hall of Fam des renommierten US-Magazins Interior Design aufgenommen. Warum? Weil sie eines der kreativsten Studios unserer Zeit sind: Für Walter Knoll kreierten sie die Markenarchitektur, für Fleiner Möbel by architare das neue Shopkonzept und für Usbekistan einen repräsentativen Staatspalast. Nun arbeiten architare und Ippolito Fleitz an einem gemeinsamen Projekt in Shanghai. Barbara Benz traf Peter Ippolito zu einem spontanen Vier-Augen-Gespräch in Stuttgart.

Wann und mit welchem Ziel habt ihr die Ippolito Fleitz Group gegründet?

Die Ippolito Fleitz Group gibt es seit 2002 mit der Idee, über den Tellerrand der eigenen Disziplin hinauszuschauen. Architektur ist das, wofür unser Herz schlägt. Doch schon während des Studiums habe ich meine Entwürfe zusammen mit anderen gemacht: mit Geisteswissenschaftlern, Künstlern, Musikern, Ärzten und Landschaftsarchitekten. Ich fand es spannend, interdisziplinär zu arbeiten. Ippolito Fleitz ist deshalb mehr als ein klassisches Architekturbüro, es ist ein Gestaltungsbüro, das viele Disziplinen in sich vereint.

Wie groß ist euer Team?

Aktuell sind wir ein Team von weltweit 55 Designern, die im Wesentlichen aus der Richtung Architektur, Produkt- und Kommunikationsdesign kommen. Gemeinsam arbeiten wir an einem extrem breiten, nicht spezialisierten Portfolio, das sich im Kern immer um die Identität unserer Kunden dreht.

Gibt es ein Geheimnis für den Erfolg eurer Partnerschaft?

Gunter und ich sind Freunde und kennen uns schon seit über 25 Jahren. Wir haben uns in einer WG kennengelernt, als wir beide noch Studenten waren und ich kurz davor war, nach Chicago zu gehen. Ihr nennt euch bewusst Identity Architects.

Barbara Benz und Peter Ippolito
Barbara Benz und Peter Ippolito

Was genau verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung?

Unsere Projekte in China sehen anders aus als ein vergleichbares Projekt in Deutschland. Warum? Weil sie für eine andere Zielgruppe und einen anderen Markt erdacht wurden. Wir beglücken nicht jeden unserer Kunden mit der gleichen gestalterischen Handschrift. Stattdessen haben wir uns zum Ziel gesetzt, eine präzise, überraschende und unverwechselbare Antwort zu finden, abhängig davon, wo der Kunde ist, was er macht, wie er es macht und an wen sich die Arbeit richtet. Das heißt,

wir setzen uns extrem mit der Identität eines Kunden auseinander und zwar auf jeder Ebene

von Markenstrategie- oder Naming-Prozessen in der Kommunikation, über die visuelle Identität bis zum intimsten Moment im Raum, wenn ich ein Privathaus oder eine Wohnung einrichte. Wir sprechen über Markenarchitektur genauso wie über die morgendliche Routine im Badezimmer oder klären Fragen, wie sich eine Nation innenarchitektonisch präsentiert.

Heißt das auch, dass eure Teams unterschiedlich zusammengesetzt werden?

Das Schöne an unserem Konzept ist, dass wir jeden Tag eine Bandbreite von Kunden, von unterschiedlichen Lebensentwürfen, Geschäftsmodellen und kulturellen Hintergründen erleben dürfen. Diese Diversität erleben wir auch in unserem Büro: Bei uns arbeiten 14 verschiedene Nationalitäten mit verschiedensten Backgrounds und Erfahrungen. So können wir für jedes Projekt ein ideales Team zusammenstellen.

Welches ist deine Lieblingsdisziplin im Job?

Konzepte zu entwickeln. Ich fühle mich unglaublich privilegiert, weil ich genau das mache, was ich immer machen wollte: Ich darf über Projekte nachdenken. An einem Tag im Studio kann alles kommen: Grafik-Design, Markenstrategie, ein hochwertiges Residential-Projekt und ein Ladenkonzept in China.

Was unterscheidet euer Büro von anderen?

Wir sind ein extrem offenes, neugieriges und leidenschaftliches Büro. Wir erlegen uns keine Dogmen auf, wie man etwas macht, sondern haben eine fast kindliche Freude, neue Aufgaben anzugehen. Am liebsten ist uns das Projekt, das wir noch nie vorher gemacht haben, an einem Ort der Welt, an dem wir noch nicht waren. Zudem haben wir keine Berührungsangst bei Dingen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht in unserer Welt liegen. Wenn also heute jemand kommt und sagt, er will eine klassische Villa mit uns machen, dann ist das sicher nicht die Gestaltungswelt, in der wir uns normalerweise bewegen. Doch wenn der Kunde und das Projekt interessant sind, spinnt sich daraus ein spannender Dialog und es entsteht etwas, das ganz anders aussieht, als das was wir bislang gemacht haben. Ihr habt Büros in Stuttgart, Berlin und Shanghai, in Moskau, Zürich und Seoul seid ihr durch lokale Repräsentanten vertreten.

Wo entstehen derzeit die spannendsten Projekte?

Der asiatische Markt hat eine unglaubliche Dynamik. Die Geschwindigkeit und der Mut der Bauherren dort, Dinge auszuprobieren, hat eine große Anziehungskraft. Wir genießen es, in verschiedenen Welten mit verschiedenen Dynamiken unterwegs zu sein. Während wir in Europa aus einer sehr gesättigten Position in die Welt schauen und latent etwas verteidigen, sehen wir in anderen Ländern eine hungrige Situation, in der es für die Menschen etwas zu gewinnen gibt. Das allein erzeugt eine andere Energie. Im Moment entsteht ja in China ein tolles Projekt, das Projekt Schwarzwald. Kannst du kurz erläutern, was sich dahinter verbirgt? Schwarzwald ist ein wirklich herausragendes Residential- Projekt, das sich bereits dadurch auszeichnet, dass dort zwanzigtausend Bäume gepflanzt wurden. Daher auch der Verweis auf Schwarzwald. Der Bauherr hat ein Faible für deutsche Qualität und möchte wirklich etwas verändern auf dem chinesischen Markt. Diese Wohnanlage entsteht mit einem sehr hohen Anspruch an Gebäudetechnologie, an die Nachhaltigkeit des Projektes und an die Innenausstattung der einzelnen Wohnungen.

Musterwohnung in Shanghai
Musterwohnung in Shanghai
Messestand von Walter Knoll
Messestand von Walter Knoll

Gibt es etwas, was wir uns von den Chinesen abschauen könnten?

Die Freude und Unverkrampftheit, etwas auszuprobieren. Da ist eine Energie, ein Projekt voranzutreiben, die extrem nteressant ist. Die Konzeptionsphase läuft noch analog zu den Prozessen hier. Doch die Realisierung passiert innerhalb wenigster Wochen. Hier würden wir noch Mock-ups bauen, Studien oder vielleicht sogar eine Marktforschung machen ... Das überspringt man dort und macht es einfach.

Was inspiriert dich?

Dinge, die ich sowieso tue: Essen, Kochen und Reisen. Das heißt, die Welt sehen und neue Kulturen kennenlernen. Und Kunst. Ich bin sicherlich mehr in Museen, als dass ich Architekturmagazine anschaue. Welche Rolle spielen Trends für deine Arbeit? Wir halten hier im Büro nicht viel vom Verfolgen von Trends. Wir sind der Meinung, der Impulsgeber für unsere Arbeit ist das, was wir von unserem Kunden auf jeder Ebene erfahren.

Welches war bislang dein anspruchsvollstes Projekt?

Ein Projekt, das für uns in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein an Größe, Skurrilität, an Exotik und Umstand war, ist das Forum in Usbekistan in Taschkent. Es ist das wichtigste repräsentative Gebäude des Staates. Es steht am Hauptplatz in Taschkent und wird für Staatsempfänge und Staatsakte, aber auch für große kulturelle Veranstaltungen genutzt. Ein Freund rief mich an und sagte:

Ich glaube, die brauchen einen Innenarchitekten

Innerhalb von zwei Wochen haben wir den Wettbewerb gewonnen, in einem Tag den Vertrag abgeschlossen und hatten dann die sportliche Aufgabe, dieses Projekt mit vierzigtausend Quadratmetern innerhalb von fünfeinhalb Monaten zu entwerfen, zu planen und zu bauen. Es ist uns gelungen, ein Projekt zu machen, das nicht nur fertig wurde, sondern auch eine Relevanz entwickelte. Das Forum hat uns nicht nur viel Reputation eingebracht, sondern uns auch von Ängsten befreit.

Palace of International Forum Uzbekistan
Palace of International Forum Uzbekistan

China, Usbekistan, und gleichzeitig realisiert ihr lokale Projekte für Fleiner Möbel by architare oder Walter Knoll. Steht das nicht im Widerspruch?

Im Gegenteil: Die Projekte sind sehr verwandt, denn es geht um Identität. Auf der einen Seite ist es der junge, unabhängige Staat, der viele Ressourcen hat und sich neu verorten will. Auf der anderen Seite steht die Frage der Markenarchitektur eines Unternehmens wie Walter Knoll, das gerade 150 Jahre alt geworden ist, oder die Markenidentität eines traditionsreichen Einrichtungshauses. Ausgangspunkt unserer Arbeit ist immer der Kontext. Und Kontext heißt für uns nicht nur der Raum. Kontext ist die Geschichte, das sind die Personen, die dort eine Rolle spielen. Das kann wie bei Usbekistan die Kultur sein. Oder wie bei Fleiner eine Markengeschichte, in der es eine neue Eignerfamilie gibt, eine neue Führung, in der es einen Raum gibt, mit dem wir umgehen müssen und der nicht ganz einfach ist.

Welche Rolle wird das Design in Zukunft spielen?

In den kommenden 20 Jahren werden wir in eine andere Materialwelt schauen. Wir sind schon heute auf dem Stand der technischen Entwicklung, der uns ermöglicht, nicht nur etwas in kleinen Installationen auszuprobieren, sondern ganz neu zu denken.

Wie werden Gebäude in Zukunft energetisch gedacht und nicht nur im Sinne einer aufgeklebten Photovoltaik-Fassade, sondern als aktives Gebäude?

Das wird uns auch im Innenraum beschäftigen, im Sinne von intelligenten Textilien, Oberflächen, die nicht nur Dekoration sind, sondern eine Funktion mitbringen.

Motel One Head Office in München
Motel One Head Office in München

Du reist viel, auch noch privat?

Ja, ich reise sehr, sehr gerne. An Orte, an denen ich noch nicht war.

Gibt es für dich momentan ein Must See?

Ich war gerade im Long Museum in Shanghai, ein fantastisches Stück Architektur, eigenständig ,mit einer wunderbaren Raumchoreografie und spannenden Ausstellungen. Ein All-Time- Favorit und Schlüsselprojekt in meinem Architektwerden ist das Soane-Haus in London. Soane war der Architekt der Bank of England und ein passionierter Sammler. Sein Haus ist quasi die Urzelle des Collagierens und des Sammelns. Eines der abgedrehtesten und verrücktesten Häuser, die ich kenne. Es ist das V & A in klein, in einer wunderbaren Dreidimensionalität.

Bist du eher ein Stadt- oder Landmensch?

Eindeutig Stadtmensch!

Dein Lieblingsrestaurant in Stuttgart?

Bella Italia Weine in der Vogelsangstraße.

Und außerhalb?

Davon gibt es viele. Zum Beispiel das Hero in Paris, ein winziges koreanisches Restaurant mit einer witzigen Menügeschichte und lustigen wie raffinierten koreanischen Cocktails.

Kantine Der Spiegel in Hamburg
Kantine Der Spiegel in Hamburg

Photos: © 
Zooey Braun / Rendering
Ippolito Fleitz Group
Tom Ziora

 
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