Unterwegs mit Barbara Benz – Jedes Jahr im September, gleich im Anschluss an die illustre Fashion Show, ist ganz London im Design-fieber. Ob Museen, Shops, Szenebars, öffentliche Plätze, Studios oder Schulen, überall in der Stadt wird präsentiert, diskutiert, begutachtet und bestaunt, was die aktuelle Kreativszene bewegt.
London
Zehn Tage lang verwandelt sich die britische Metropole in ein pulsierendes Designfestival. Dabei sind nicht nur Lokalmatadore wie Paul Smith, Jasper Morrison, Barber Osgerby, PearsonLloyd, Tom Dixon, Ilse Crawford oder Zaha Hadid aktiv. Längst haben internationale Design-Labels wie Boffi, Cappellini, Cassina und Poltrona Frau diesen attraktiven Diskurs für sich entdeckt. Was vor mittlerweile zwölf Jahren als Rahmenveranstaltung zur Messe 100 % Design ins Leben gerufen wurde, ist ein stetiger Erfolg: Mehr als 350 Events und Ausstellungen bereicherten 2014 das Festival. Selbst das Luxuskaufhaus Harrods offenbarte in diesen Tagen 'Harrods is Design'.
Barbara Benz' Favoriten
Unter dem Titel A place called home fanden Besucher auf dem Trafalgar Square vier in Kooperation mit airbnb entstandene Wohnkonzepte von Studioilse, Rawedges, Patternity und Jasper Morrison.
Was bedeutet eigentlich Zuhause? Jetzt, hier und heute? Mit ihren typisch britischen Interpretationen boten die Designer reichlich Gesprächsstoff.
Besonders letzterer, denn Morrison präsentierte sein Haus als minimalistischen Taubenschlag. Der Kommentar des Designmeisters: „Wer möchte schon mitten auf dem Trafalgar Square wohnen?“ Die besten Brands, die außergewöhnlichsten Nachwuchstalente. Sie alle vereint Designjunction, eine der Top-Adressen Londons, die sich selbst bescheiden als Leading destination for contemporary interior design and culture bezeichnet.
Zum vierten Mal gab sich die engagierte Plattform 2014 anlässlich des Festivals die Ehre. Mehr als 180 Aussteller – von Alessi bis Zanotta – versammelte sie auf vier Etagen des Old Sorting Office auf der Londoner Old Oxford Street. Im erfrischenden Mix aus Klassikern und Newcomern entdeckt man immer wieder spannende Produkte und engagierte Jungdesigner.
Lust auf eine Pause?
Wem der Kopf vor lauter Interieur und Design rauchte, konnte im Garten des Victoria & Albert-Museums verschnaufen und Zaha Hadids 'Crest' bewundern. Die experimentelle Skulptur, die ein Vorgeschmack auf das jüngste Hotelprojekt der Architektin in Dubai ist, überspannte das große Wasserbecken auf poetische Weise.
Design Affair mit Max Fraser
Sie haben eine Frage zu britischem Design? Oder sind Sie eher auf der Suche nach dem kreativsten Hotspot der britischen Metropole? Dann fragen Sie Max Fraser. Der 35-jährige Brite ist sozusagen die Design-Enzyklopädie Londons. All sein Schaffen und Wirken dreht sich um Design: Er ist Kommentator, Moderator, Berater sowie Herausgeber und Verlagsgründer von Spotlight Press. Dort erscheint seit 2010 jährlich der London Design Guide, ein Bollwerk aktueller Kreativstudios, Läden, Buchhandlungen und Hotspots der Stadt. Seit 2012 unterstützt Fraser das London Design Festival. Als Deputy Director koordinierte er bislang Marketing, Strategie und Kommunikation. Ab März dieses Jahres wird er das Event als freier Berater und Editor unterstützen. Barbara Benz erwischte Fraser während des Festivals im September 2014 für ein kurzes Statement.
Gab es für Sie am London Design Festival noch etwas zu verbessern?
Und ob. Das Festival genießt weltweit ein sehr hohes Ansehen. Im Produkt- und Möbel-Design sind wir dank starker Firmenbeteiligung gut aufgestellt. Nächstes steht auf der Agenda das Grafik- und Digital-Design stärker zu fördern. Außerdem müssen wir es schaffen, dass in Zukunft wirklich alle Showrooms mit neuartigen und “coolen” Projekten partizipieren und nicht nur einen Stuhl ins Fenster stellen und dies als Ausstellung bezeichnen.
Welches ist der größte Trumpf des Festivals?
Es ist von einzelnen Designdistricts geprägt. Diese haben sich in den letzten Jahren stark verändert: Neue sind hinzugekommen und es wird immer mehr Energie in die Präsentation gesteckt. Viele haben erkannt, wie wichtig das Festival für London als Designmetropole ist. In dieser Hinsicht hat London einen enormen Schub getan. Vor allem Installationen und konzeptionelle Arbeiten sind ein Highlight.
Und das größte Manko?
Leider ist das Design Festival noch keine wirkliche Attraktion für das breite Publikum. Die Londoner Fashion Show zum Beispiel ist sehr viel präsenter, schon allein in der Presse. Das liegt vielleicht auch daran, dass ein Großteil der Bevölkerung lieber schöne Frauen ansieht als einen neuen Stuhl. Und London ist einfach zu groß, um das Festival kosteneffizient mit Bannern und Postern zu bewerben.
Photos: ©
Klunderbie
Emil Benz